Die Polizei und die Gesellschaft – und ein unerschütterlicher Optimist

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+++ Interview mit Polizeihauptkommissar und Handball-Trainer Hagen Gunzenhauser +++ Ein Gespräch über einen herausfordernden Beruf und eine große Leidenschaft +++

Hagen Gunzenhauser kenne ich schon sehr lange – aus unseren gemeinsamen Zeiten beim Handball-Bundesligisten Frisch Auf Frauen Göppingen. Schon immer ist er – damals als Trainer – durch sein sonniges Gemüt und immer freundlichem Lächeln aufgefallen. Und schon immer war sein Hauptberuf irgendwie ein Kontrast dazu: Hagen ist Polizist, genauer gesagt: Polizeihauptkommissar. Mittlerweile arbeitet er im Landeskriminalamt (LKA) Baden-Württemberg.

Und weil das Thema Polizei und der Umgang der Gesellschaft mit der Polizei (und umgekehrt) ziemlich präsent ist (in den Köpfen und in den Medien), habe ich ihm ein paar Fragen gestellt. Und auch er spricht darüber, dass es mehr und mehr Übergriffe auf die Polizei gibt. Das ist nicht nur gefühlt so, sondern auch faktisch.

Das Bundeskriminalamt (BKA) führt dazu seit Jahren Erhebungen durch, die dieses ungute Gefühl untermauern*. Der Tenor: Es findet seit längerem eine Radikalisierung der Gesellschaft statt (oder von Teilen der Gesellschaft). Immer mehr geht es um Übergriffe, die angemessene Reaktion darauf oder auch um eine Überreaktion (oder sogar um die Planung eines gewaltsamen Umsturzes der Regierung**).

Hagen Gunzenhauser war jedenfalls bereit, über den Beruf und seine Leidenschaft Handball zu sprechen – und darüber, was Daktyloskopie eigentlich ist.

Hagen Gunzenhauser

SUCY: In Dir schlagen zwei Herzen: Du bist Polizeihauptkommissar und seit vielen Jahren Handballtrainer. 2021 bist Du sogar Deutscher Polizeimeister geworden mit Deinem Team. Welche Arbeit begeistert Dich mehr?

HAGEN: Das eine ist mein Job, das andere meine Leidenschaft. Beide begeistern mich. Nur deshalb funktioniert dies vielleicht auch so gut nebeneinander. Deutscher Polizeimeister zu werden mit der Landesauswahlmannschaft der Polizei Baden-Württemberg war ein echtes Highlight. Sportlich wie emotional. Für solche Augenblicke macht man das. 😊

»Wir erleben jeden Tag, dass es immer gefährlicher wird.«

SUCY: Du warst als Polizist auf Stuttgarts Straßen unterwegs – ist das ein gefährliches Pflaster?

HAGEN: Ja, definitiv. Und wir erleben jeden Tag, dass es immer gefährlicher wird. Und da meine ich nicht die Sicherheitslage für die Bevölkerung, sondern die Gefahr für die Kolleginnen und Kollegen. Der Umgang unseres „Problemklientels“ mit der Polizei ist per se aggressiv. Das macht den Job so schwer. Die Ruhe und Überblick in allen Situationen zu bewahren ist da eine echte Herausforderung.

SUCY: Inzwischen arbeitest Du beim Landeskriminalamt. Was ist dort Deine Hauptaufgabe?

HAGEN: Ich arbeite beim Landeskriminalamt im Kriminaltechnischen Institut. Dort bin Sachverständiger für Daktyloskopie. Das heißt, wir untersuchen in unseren Laboren die Spuren aus den Fällen in ganz BW und versuchen mit unseren Möglichkeiten, Täter zu ermitteln. Sozusagen den Sachbeweis zu führen. Ist eine extrem spannende Tätigkeit, da wir quasi an jedem interessanten Fall in Baden-Württemberg beteiligt sind.  

SUCY:  Ist die Arbeit im LKA so wie man es aus Filmen wie dem „Tatort“ kennt?

HAGEN: Nein, eher nicht wie im Tatort. Mehr wie bei CSI Miami. 😊 Spaß! Ich glaube, dass ein Mix aus beidem es am besten trifft. Kriminaltechnische Arbeit kann mitunter sehr mühsam und diffizil sein. Eine Spur in eine Datenbank einlesen und dann spuckt die Sekunden später einen Täter aus – so stellt man sich das gerne vor. Ist es aber leider nicht. 

Wir haben hier bei uns auch immer wieder Filmteams die sich die „richtige“ Polizeiarbeit anschauen und für Dokus oder Reportagen Tipps holen. Das Interesse an unserer Arbeit ist groß. Hat aber leider wenig mit dem „Tatort“ zu tun.

»Es gibt immer Spuren an einem Tatort.«

SUCY: Gibt es das perfekte Verbrechen?

HAGEN: Theoretisch ja. Faktisch aber ein klares NEIN. Es gibt immer Spuren an einem Tatort. Die Frage ist nur, ob wir diese finden und richtig interpretieren. Doch da werden wir immer besser. Zum Glück sind die meisten schweren Gewaltverbrechen Affekttaten. Das bedeutet, dass der/die Täter keine große Planung im Vorfeld hatten und das heißt für uns: jede Menge Spuren. 😊

SUCY: Auf was freust Du Dich im Jahr 2023 am meisten? 

HAGEN: Natürlich beschäftigt auch mich das große Thema Pandemie. So wie vermutlich jeden. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir diese unschöne Zeit endlich hinter uns lassen können. Wieder mit Freunden gemütlich was unternehmen und endlich sich wieder so richtig auf einen Urlaub freuen und diesen uneingeschränkt genießen können.

SUCY: Danke, Hagen!

*
BKA-Erhebung zu Fällen von Widerstandshandlungen gegen die Staatsgewalt // 2016: 24.362 Fälle // 2020: 38.960 Fälle
(Quelle: ARD).

**
»Umsturz in Deutschland, angeführt von einem Mann, der sich “Heinrich XIII.” nennt und sich auf hochadelige Abstammung beruft? Was lächerlich klingt, hat einen gefährlichen Hintergrund« (Quelle: ntv)
Beitrag: »Bundesweite Razzien gegen Reichsbürger« (Quelle: ARD)


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