Sie nannten ihn Mücke*

Oliver Lozano Interview

+++ Interview mit Fotograf und Filmemacher Oliver Lozano +++ Um was geht’s bei einer Filmkritik? +++ Wie sieht die Zukunft des Kinos aus? +++

Oliver Lozano kann aus dem Stegreif und am laufenden Band Bud Spencer* zitieren. Er spielt auf dem Klavier »Spiel mir das Lied vom Tod« oder tanzt »Saturday Night Fever« originalgetreu. Oliver ist wohl das, was man einen Tausendsassa nennt: Er filmt, spielt und fotografiert. Er ist ein kreativer Freigeist, der vor Ideen nur so sprudelt. Ein Feuerwerk an Entertainment und Erheiterung mit Spaß am Leben.

[* »Sie nannten ihn Mücke« ist eine italienisch-deutsche Action-Komödie aus dem Jahr 1978 mit Bud Spencer in der Hauptrolle.]

Der studierte Mediendesigner kommt aus dem beschaulichen Schwäbisch Hall (das er immer noch sehr liebt) und hat seine ersten Sporen während eines Praktikums in einer Stuttgarter Filmproduktion verdient – in der Landeshauptstadt ist er mehr oder weniger freiwillig hängengeblieben.

In Stuttgart hat sich Oliver schließlich mit einer eigenen Filmproduktion und als Fotograf selbständig gemacht. Und das mit ziemlichem Erfolg: Seit über zehn Jahren gibt es Kreationen vom Schwaben-Mexikaner, der nach eigener Aussage mit »mexikanischer Leidenschaft und schwäbischer Präzision« wirbelt.

Legendär sind sein Loft-Studio Stuttgart (das auch als Studio für Film- oder Fotoshoots gebucht werden kann) und seine beeindruckenden Fotografien.

oliverlozano.com

Sucy & Olivers neues Projekt

Es gibt niemanden, den ich mir als Counterpart bei Rezensionen zu Filmen und Serien besser vorstellen kann als Oliver Lozano. Und so starten wir gemeinsam dieses Projekt hier im Blog: Wir nehmen uns in unregelmäßigen Abständen Filme, Shows und Serien so richtig zur Brust und teilen ordentlich aus.

Los geht’s in Kürze mit »Leif in Concert – Vol. 2« – eine Rezension und Kurz-Interview mit Schauspieler Gerdy Zint, der ganz großartig den Türsteher Jari mimt.

Aber jetzt kommt erst mal Oliver Lozano zu Wort, denn ich war wie immer neugierig und habe ihm einen ganzen Haufen Fragen gestellt. Lest selbst:

SUCY: Wie bist Du zum Film und zur Fotografie gekommen?

OLIVER: Die Familie meines Großvaters hatte ein Kino und ich musste nie etwas bezahlen, wenn ich einen Film sehen wollte. Ich habe die große weite Welt in den 80er Jahren durch Filme wie »Zurück in die Zukunft« kennengelernt.
»Crocodile Dundee« habe ich sicher an die fünfzehn Mal angeschaut. 
Bei der Fotografie war es ähnlich: In meiner Familie waren schon immer Themen wie Fotografie, Kunst und Filme wichtig. Mich fasziniert(e) die Magie des Films und der Fotografie und dass man aus dem sicheren Sessel im Kino wilde Abenteuer erleben kann. Dass man wie in der Zauberei Dinge kreiert, die eigentlich gar nicht wirklich existieren.
In den früheren Filmen gab es noch ganz ohne technische Animationen Miniaturbauten, die dann zu Städten oder Landstrichen wurden – das hat mich begeistert. Durch »Zurück in die Zukunft« und den Song »Johnny B. Goode« bin ich zum Rock’n‘Roll gekommen.
Auch »Blues Brothers« von 1980 und »Die fabelhaften Baker Boys« aus dem Jahr 1989 hatten Einfluss auf meinen musikalischen Geschmack.

Über den Film »Leif in Concert Vol.2« sprechen Oliver & Sucy als erstes
[Foto: Mike Auerbach, Grafik: Propaganda B / Lischke&Klandt]

SUCY: Was ist Dir bei Deinen eigenen Inszenierungen besonders wichtig?

OLIVER: Für mich geht es besonders um Unterhaltung, Leidenschaft, Authentizität und Spaß am Set. Auch wenn bei Dreharbeiten oft ein militärischer Ton herrscht und man unter Zeitdruck steht, soll es Freude machen. Und dieser Spaß soll »rüberkommen« beim Anschauen.Der Großteil meiner Arbeit sind Werbefilme und da ist es mir wichtig, dass die Unternehmer und Mitarbeiter authentisch sind. Dafür gibt es im Vorfeld z.B. Kameratraining, damit da niemand unvorbereitet »ins Messer läuft«.

SUCY: Du bist ein Multitalent: kannst Kreation, Regie, Kamera, Inszenierung, Schnitt – was machst Du am liebsten?

OLIVER: Am liebsten ist mir die Kreation, auch gerne mit einem Sparringspartner. Direkt gefolgt von Regie, Inszenierung und Schauspielführung. Also eigentlich liebe ich alles, was möglichst weit weg von einem Computer ist. 
Zurzeit fotografiere ich lieber als dass ich Filme mache. Dabei kann man wunderbare Kunstwerke schaffen. Man hat am Ende immer ein haptisches Produkt, das man anfassen und begreifen kann. 

SUCY: Welches Traumprojekt hast Du noch nicht realisiert?

OLIVER: Es gibt Menschen, mit denen ich noch gerne zusammenarbeiten würde. Ich liebe z.B. Robert Rodriguez und Quentin Tarantino. Auch für den Playboy würde ich gerne mal shooten.Hätte ich Mittel und Wege, es zu realisieren, würde ich die deutsche Serie aus den 50er Jahren »Raumpatrouille Orion« als Antwort auf »Star Trek« in US-amerikanischen Standards inszenieren. Zwei weitere Traumprojekte stehen kurz vor der Realisierung:
Zum einen wird es bald Coffee Table Books mit Erotik und Kink geben. Des weiteren plane ich einen Podcast, in dem ich Filme empfehle, die man unbedingt gesehen haben muss. Ich möchte die Leute wieder für den Film begeistern, für Perlen und Klassiker von den 40er Jahren, über die 80er und 90er bis heute.

Oliver & Sucy holen den Western wieder nach Deutschland

SUCY: Wie macht man eine gute Film- oder Serienbewertung?

OLIVER: Grundsätzlich es wichtig, dass man den Leuten klar macht, dass es sich bei einer Bewertung immer um die eigene persönliche Meinung handelt. Es gibt Filme, die ich scheiße finde – andere Leute finden die aber toll. 
Man kann jedoch Kriterien legen, wie z.B. Originalität oder Vorhersehbarkeit der Handlung. Auch der zeitliche Kontext ist wichtig: In welchem Jahr ist ein Film entstanden und galten damals die gleichen gesellschaftlichen Normen wie heute? Könnte man dieser Tage noch Witze über Randgruppen machen? Es ist ein bisschen wie beim Kochen: Es gibt die Sterne-Küche, Fast Food oder Soul Food. Und so ähnlich ist es beim Film auch. Geht es z.B. um Effekthascherei? Sind die Gewürze wichtiger als das Steak an sich?  

SUCY: Was ist wichtiger: das Drehbuch oder die Schauspieler?

OLIVER: Da kann ich wieder fragen: Sind die Zutaten wichtiger oder der Koch?
Gammelfleisch kann von einem Sterne-Koch von dieser miesen Ausgangssituation aus vielleicht irgendwie noch über die Brücke gebracht werden. Heißt: Ich muss nicht automatisch davon kotzen, es bleibt aber trotzdem scheiße.  
Es braucht beim Film beides: Eine gute Story mit einem guten Schauspieler ist die beste Kombination. Ein erstklassiger Kameramann gehört aber ebenso dazu wie ein guter Schnitt und tolle Musik. 
Insgesamt muss man aber sagen, dass Film immer Teamwork ist. Je mehr Liebe zum Detail im Spiel ist, desto besser wird auch der Film.

SUCY: Wer macht bessere Filme: Europa oder die USA?

OLIVER: Ich fühle mich durch Filme aus den USA unterm Strich besser unterhalten.
Europäische Filme überraschen mich jedoch ab und an. Im Vergleich mit Deutschland schneiden die USA meiner Meinung nach besser ab.Christoph Waltz hat das mal schön formuliert: »In Amerika wird Film hergestellt wie Kunst und verkauft wie Ware, und in Deutschland ist es genau umgekehrt«.
Allerdings haben die USA seit den 50er Jahren eine Art Monopolstellung, nachdem es zuvor das große Europäische Kino gab mit Stars wie Horst Buchholz, Romy Schneider und Alain Delon. So können sie manchmal Mut zeigen, wie z.B. die Besetzung von Christoph Waltz in »Inglourious Basterds« oder »Django Unchained«. Für beide Rollen hat er einen Oscar gewonnen!
Seit Jahren gibt es keine deutschen großen Genre-Filme mehr. Sei es Science Fiction (das ist der Grund, weshalb ich »Raumpatrouille Orion« neu verfilmen möchte) oder Western, wie z.B. »Winnetou«. In Deutschland schwingt leider immer ein bisschen Ballast mit. 
Möglicherweise kann eine Nation, die sich selbst liebt (wie die USA), eher Helden erschaffen – mit Würze, Humor und großartiger Musik. Die USA kreieren Filme, die mich mitreißen.

SUCY: Wie siehst Du die Zukunft des Kinos?

OLIVER: Ich liebe Kino und sehe dessen Zukunft eigentlich rosig. Während der Corona-Krise war die Situation eine Katastrophe und sicher werden auch einige dicht machen müssen.  Aber wenn es wieder möglich sein wird, ohne größere Einschränkungen ins Kino zu gehen, wird es wunderbar:
Du hast ein echtes Gemeinschaftserlebnis und der Ton bläst Dich in Deinen (hoffentlich bequemen) Sitz! Das ist was anderes, als einen Film in einer WhatsApp-Gruppe zu sehen. Es hat fast was Archaisches, wenn man in einem dunklen Raum auf eine helle Leinwand schaut – fast wie am Lagerfeuer.

Was ich allerdings gar nicht mag, sind Wi**er, die denken, im Kino ständig stören zu müssen. Man hat sich dort zu benehmen, basta! Ich will in Ruhe den Film, die Werbung und Trailer sehen.

SUCY: Vielen Dank, Oliver. Ich freue mich auf unser neues Projekt!


Kennt Ihr schon meine Buch-Rezension zum neuen True Crime-Kassenschlager »True Crime Deutschland 3« von Adrian Langenscheid? ➡️ Hier entlang! 
Auch mit Kriminalbiologen Dr. Mark Benecke aka »Dr. Made« konnte ich ein kurzes Autoren-Interview führen.


» ZU »Booster für Podcasts & True Crime – Teil 1/2« und »Teil 2/2«
» ZU DEN KURZGESCHICHTEN
» KRIMI »Der Tod ist näher als du denkst«
» Rezension zu Dr. Mark Beneckes »Aus der Dunkelkammer des Bösen«
» »Leichen pflastern seinen Weg« – Rezension zu Adrian Langenscheids neuem Buch


Zum zehnjährigen Jubiläum von Sucys Agentur Jane Fox Kommunikation kreierte Oliver eine fünfteilige Filmreihe

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