Filmempfehlung: »Die Macht der Frauen« mit Natalia Wörner

Von Sucy Pretsch: ZDF-Filmempfehlung: »Die Macht der Frauen« mit Natalia Wörner +++ Neu im Blog +++ mit Interview +++ Filmkritik +++

+++ Packende Story über häusliche Gewalt gegen Frauen +++ Ein Film von Lars Becker +++ Filmneuheit im ZDF +++ Interview mit Natalia Wörner +++

Die Statistik zur Filmempfehlung »Die Macht der Frauen« mit Natalia Wörner sieht traurig aus: 240.547 Menschen sind 2022 in Deutschland Opfer von Häuslicher Gewalt geworden – 8,5 Prozent mehr als im Vorjahr: Das ist das Ergebnis des neuen Lagebilds des Bundeskriminalamts (Stand: Juli 2023). Obwohl viele Taten nicht bei der Polizei angezeigt werden und die Dunkelziffer deshalb wesentlich höher sein könnte: Das Lagebild Häusliche Gewalt zeigt, dass die Zahlen der Opfer Häuslicher Gewalt im letzten Jahr gestiegen sind.

In Bereich der Partnerschaftsgewalt seien die Zahlen noch größer, sagte BKA-Präsident Münch. Dort stieg sie sogar um 9,1 Prozent auf 157.550 Opfer. Knapp die Hälfte von ihnen lebten mit der tatverdächtigen Person zusammen. (Quelle: Bundesregierung.de)

Filmempfehlung: »Die Macht der Frauen« mit Natalia Wörner

In diesem Kontext bewegt sich der neue Film mit Natalia Wörner: »Die Macht der Frauen« – und das ziemlich eindrucksvoll. Nicht nur, dass Natalia Wörner in ihrer Rolle als Anwältin glänzt, sondern auch die Geschichte ist bedrückend und vermutlich leider nah an der Realität vieler Frauen.

Es kommt vor allem der Zwiespalt zum Tragen, den betroffene Frauen mit sich austragen: Denn wie die Statistik zeigt, ist es meist der Partner, der physische oder auch psychische Gewalt ausübt. Dass es in der Vergangenheit immer wieder prominente Beispiel von Falschbeschuldigungen durch Frauen gegen hat, macht die Sache für die wirklich Betroffenen natürlich nicht leichter.

Aber zum Film: Anwältin Annabelle Martinelli (Natalia Wörner) berät Opfer häuslicher Gewalt. Doreen Markowitz (Nurit Hirschfeld) sucht Beistand, nachdem sie ihren Mann (David Schütter) wegen Körperverletzung und sexueller Gewalt angezeigt hat.
Vor Gericht wird der von Annabelles ehemaligem Chef John Quante (Fritz Karl) vertreten. Plötzlich zieht Doreen ihre Anzeige zurück und verschwindet aus dem Gericht. Annabelle ist überzeugt, dass ihre Klientin von ihrem Mann systematisch eingeschüchtert, geschlagen und zum Sex gezwungen wurde. Doch die Beweislage ist dünn. Lässt sich seine Schuld beweisen?

Interview mit Natalia Wörner

»Die Macht der Frauen« ist der zweite Film, in dem Sie die Anwältin Annabelle Martinelli verkörpern. Er lenkt die Aufmerksamkeit auf ein wichtiges Thema: Jede dritte Frau in Deutschland wird mindestens einmal in ihrem Leben Opfer körperlicher und/oder sexueller Gewalt in ihrer aktuellen oder früheren Beziehung. Dennoch ist Gewalt gegen Frauen immer noch ein Tabuthema, oder?

Als Tabuthema würde ich es inzwischen nicht mehr beschreiben. Ich finde, dass sich das in den letzten Jahren deutlich verändert hat. Ich würde sagen, die stigmatisierte Tabuzone ist langsam durchschritten, das Thema “Gewalt gegen Frauen” hat mittlerweile einen sehr viel größeren Resonanzraum in der Gesellschaft bekommen ‒ und in weiten Teilen auch einen differenzierteren Umgang der Medien damit. Es ist aber noch sehr viel Luft nach oben. Und was sicherlich hilft, ist, sich mit den Fakten auseinanderzusetzen und genau zu analysieren, wo es mangelt und was es politisch, wissenschaftlich und gesellschaftlich braucht und auch welche Rolle die Medien hier spielen und in welcher Verantwortung sie stehen.

Natalia Wörner / Bildquelle: ZDF und Marion von der Mehden

Welche Hoffnungen oder Erwartungen knüpfen Sie an die fiktionale Verarbeitung dieses wichtigen gesellschaftlichen Themas in Form eines solchen Krimidramas?

Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Menschen sich dann bewegen, wenn ihr Herz berührt wird. Der Kopf ist nicht minder wichtig, wenn es um das Verarbeiten von Schicksalen, Geschichten und schmerzhaften Momenten geht, aber die wirkliche Einsicht und das Aufbrechen von Automatismen erfolgt durch die Berührbarkeit des Herzens, das ist zumindest meine Lebenserfahrung. Wie bei allen Filmen, die sich mit gesellschaftlich relevanten und auch schwierigen Themen beschäftigen, gibt es die berechtigte Hoffnung, dass sich in den Herzen und in den Köpfen der Menschen etwas bewegt. Unsere Wahrnehmung für dieses wichtige Thema muss durch Lebensrealität geschärft werden, ein Film kann die Sprache und Bilder dafür finden.

»Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Menschen sich dann bewegen, wenn ihr Herz berührt wird.«

Die Grauzonen bekommen dann Namen und Koordinaten und überschreiten vielleicht auch Schmerzgrenzen. Beim Thema “Gewalt gegen Frauen” gilt es auch, eingespeicherte Narrative aufzulösen ‒ der Mythos der “lügenden Frau” zum Beispiel. Da helfen Filme wie “Die Macht der Frauen”, die mit Klischees und stereotypen Erzählungen aufräumen und authentische Figuren schaffen. Dies ist schon eine Beschreibung meiner Rolle Annabelle Martinelli: Sie ist für mich eine moderne Heldin, dabei eine Einzelkämpferin, und die Front, an der sie kämpft, ist nicht lustig. Martinelli handelt mit Herz und Verstand. Grundsätzlich ist sie eine Verfechterin des “Mit-dem-Herzen-Sehens” ‒ und das wird immer Erfolg haben, davon bin ich überzeugt.

Natalia Wörner und Fritz Karl / Bildquelle: ZDF und Marion von der Mehden

Die Macht der Frauen ist Krimi und Psychodrama zugleich. Welche Szenen waren bei diesem Film besonders herausfordernd (ohne zu viel verraten zu wollen)?

Was ich an dem Film sehr mag, ist, dass er nicht alle Ambivalenz auflösen will, sondern die Grauzonen ausleuchtet. Eine Erzählweise, die man bisher im deutschen Fernsehen bei diesem Thema so noch nicht gesehen hat. Es ist ein sehr trauriger, aber auch sehr warmer Film geworden, der es bis zum Schluss schafft, Fragen aufzuwerfen, über die jeder Zuschauer selbst nachdenken kann. Es kommen so viele unterschiedliche Frauenschicksale in dem Film zu Wort, und es gibt nicht für jede die richtige Lösung. Letztendlich scheitert auch meine Figur an ihrer Aufgabe, denn sie hat den Fall verstanden, aber nicht die Frau, die sie als Anwältin vertritt und für die sie sich verantwortlich fühlt! Auch meine Figur kommt an die Grenzen ihrer Macht und damit in ihre Ohnmacht. Ich denke, dass die Szenen, in denen sie sich ihr eigenes Scheitern eingesteht, in diesem Film die schwierigsten für mich als Schauspielerin waren.

Sie setzen sich persönlich in der Öffentlichkeit immer wieder für Gleichberechtigung und für die Beendigung der Gewalt gegen Frauen ein. Wo stehen wir heute?

Der kürzlich erschienene Bericht des Europarats zeigt, dass es in Deutschland noch an vielen Stellen hapert, was die Maßnahmen zur Prävention, Strafverfolgung, Schutz und Unterstützung von Betroffenen angeht. Es fehlt zum Beispiel bisher eine politische Gesamtstrategie und eine Herangehensweise, die alle Ressorts einbindet, die mit dem Thema inhaltlich verbunden sind, also Inneres, Soziales, Gesundheit, Familien- und Finanzministerium. Ganz entscheidend und unmittelbar für alle Betroffenen ist der Missstand, dass Unterstützungsangebote nach wie vor nicht bedarfs- und flächendeckend vorhanden sind. Es kommt darauf an, in welcher Region man lebt, ob man Zugang zu Frauenberatungsstellen oder einen Frauenhausplatz hat. Dies gilt insbesondere für Betroffene von sexualisierter Gewalt und für Frauen, die von Mehrfachdiskriminierung betroffen sind. Konkret gesprochen: Auch in Sammelunterkünften für Asylsuchende ist die Sicherheit für Frauen und der Schutz vor Gewalt nicht gewährleistet.

Filmempfehlung: »Die Macht der Frauen« mit Natalia Wörner von Sucy Pretsch

  •  »Die Macht der Frauen« im TV am Montag, 30. Oktober 2023, 20.15 Uhr
  •  In der ZDF Mediathek seit 21. Oktober 2023
  • Reportage über Anlaufstellen für betroffene Frauen:
    An wen können sich Betroffene von häuslicher Gewalt wenden und wo gibt es anonyme und kostenlose Hilfe? Das sieht sich PULS Reporterin Ariane Alter genauer an und spricht dafür etwa mit der Polizei und einer Frauenberatung: Hier gehts zur Sendung.
  • Artikel zum Weltfrauentag 2023 HIER im Blog

Bildquelle: ZDF/Conny Klein, Textquelle: ZDF


Schnelle Hilfe für Betroffene

Anlaufpunkte – übrigens auch für Personen aus dem Umfeld der Betroffenen – sind:

  • Polizei: Polizei und Justiz in Deutschland sind verpflichtet, Betroffene häuslicher Gewalt zu schützen. Bei unmittelbarer Gefahr ist die Polizei über die kostenlose Notrufnummer 110 erreichbar. In allen Bundesländern hat die Polizei rechtliche Möglichkeiten, eine gewalttätige Person aus der gemeinsamen Wohnung zu weisen und ein Betretungsverbot auszuprechen.
  • Hilfetelefone: Viele scheuen zunächst den Gang zur Polizei oder in eine Beratungsstelle. Hilfetelefone, wie beispielsweise das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ (116 016) oder das Männertelefon (0800 1239900) sind niedrigschwelligere Angebote. Gemeinsam kann dann mit den Betroffenen und Unterstützenden überlegt werden, wie weitere Hilfe aussehen könnte.
  • Beratungsstellen: Es gibt Beratungseinrichtungen vor Ort, die betroffenen Frauen oder ihrem Umfeld helfen. Beim Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe in Deutschland können Betroffene beispielsweise nach Angeboten in ihrer Umgebung suchen.
  • Frauenhäuser: In Deutschland stehen gewaltbetroffenen Frauen und ihren Kindern Frauenhäuser sowie Schutz- oder Zufluchtswohnungen zur Verfügung. Bei der Frauenhauskoordinierung kann nach einer Einrichtung in der Umgebung gesucht werden.

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