+++ Interview mit Haudegen Martin Dahl +++ Wie er Sabrina Setlur, Westbam und Sven Väth kennengelernt hat +++ Warum er jetzt mehrere Impfzentren eröffnete +++
Martin Dahl ist kein Fußballfan. Und das hat vermutlich damit zu tun, dass er an jenem Tag geboren wurde, als »Das Wunder von Bern« im TV ausgestrahlt wurde. Sein Vater hatte dadurch jede Menge Stress: Fußball schauen und in die Geburtsklinik fahren.
Ein Fan von Fremdsprachen ist er auch nicht. Seine Eltern, ein Beamter und eine Lehrerin, waren jedoch davon überzeugt, dass Martin sprachbegabt sein müsse. Latein, Englisch und Französisch brachten am Ende nicht nur ihn fast zur Verzweiflung. Seine Interessen liegen nämlich ganz woanders: in der Wirtschaft und Technik.
Mit dem Wechsel vom sprachlichen zum kaufmännischen Gymnasium wurde alles besser. Nach der Fachhochschulreife (»ohne viel Stress«) folgten der Abschluss zum staatlich geprüften Wirtschaftsassistenten (»ganz neues Leben«), im Anschluss daran die Arbeit als Rettungssanitäter beim DRK während des Zivildienstes (»Zeit zum Nachdenken«) und dann eine weitere Ausbildung zum medizinisch technischen Radiologieassistenten. Unser Tausendsassa hatte zu dieser Zeit schon mehr abgeschlossene Ausbildungsberufe als die meisten Menschen in ihrem ganzen Leben. Aber Martin Dahl legte jetzt erst richtig los.
Die wilden 90er im »Dorian Gray«
Wir befinden uns mittlerweile mitten in den 90er Jahren: Es wurde Tamagotchi gespielt, im Fernsehen lief »Dawson’s Creek«, man hörte die Backstreet Boys, Dr. Alban und Techno. Apropos Techno: Martin Dahl begann zu dieser Zeit sein Aufsehen erregendes Leben in der legendären Großraum-Disco »Dorian Gray« am Frankfurter Flughafen. Mit fünf Floors und bis zu 4.000 Besuchern am Abend war Martin als Betriebsleiter ziemlich im Stress. Auf diese Art machte er jedoch die Bekanntschaft der damaligen Szene-Größen wie Moses Pelham, Sabrina Setlur, Rödelheim Hartreim Projekt, Sven Väth, Maruscha und Westbam.
Wie gesagt: viel Stress. Also kehrte der verlorene Sohn zurück in seine Heimatstadt Neuhausen auf den Fildern, um sich dort mit einer Eventagentur selbständig zu machen. Was folgte war wieder so eine typische Sache der 90er: Love Parade, Single- und Schaum-Partys. Martin gelang es, im Süden der Republik mehrere Eventreihen mit mehreren tausend Besuchern pro Abend aus dem Boden zu stampfen. Und auch hier war er Teil süddeutscher Legenden wie dem Club »M1« oder »Musicland« in Stuttgart.
Ist Euch schon schwindelig? Dann haltet Euch fest, denn in den 2000er Jahren veränderte unser Hansdampf erneut seinen Weg. Er eröffnete die »Zentral Bar« in Nürtingen. Seine Eventagentur wurde aufgrund einer privaten Krise verkleinert und die Schwerpunkte auf ausgesuchte Events, Beratung und Stromtechnik gesetzt. Und er wurde Katzen-Papa.
»Man hängt durch und rum!«
2019 endete Martin Dahls bis dato gut eingespieltes Berufs- und Privatleben jäh. Aber ein Martin Dahl gibt nicht auf. Ich habe ihm ein paar Fragen zu seinem neuen Leben gestellt.
SUCY: Du hast eine bewegte Vergangenheit – was hat Dich dazu gebracht, in den letzten drei Jahren nochmal alles auf den Kopf zu stellen?
MARTIN: Bis zum Jahr 2019 lief eigentlich alles ziemlich gechillt. Die Scheidung von meiner Frau kam dann sehr überraschend und unerwartet für mich. Aber es geht weiter – ich habe mich zurückgezogen und neu geplant. Es war schwierig, aber jede Trennung – vor allem die unerwartete – braucht wohl seine Zeit. Ich wollte eigentlich einfach nur mal richtig in den Urlaub und bin in eine neue Wohnung gezogen. Dann kam Corona und plötzlich war alles anders. Die Firma und die Bar geschlossen, alleine in der Wohnung, kaum noch Kontakte.
SUCY: Wie genau hat die Corona-Pandemie Dein Leben auf den Kopf gestellt?
MARTIN: Die Pandemie hat nach einigen Monaten, als klar war, dass sich nicht so schnell etwas verändern wird, mein Leben total auf Null gedreht. Anfangs war ich noch guter Hoffnung. So ein paar Wochen, ein bis drei Monate, egal, es geht weiter – leider war es dann doch total anders. Nichts war mehr wie früher, keine Aufträge, meine Gastro meistens geschlossen oder mit deutlichen Umsatzeinbußen. Man räumt auf und putzt, aber irgendwann macht man gar nichts mehr und hat so keinerlei Lust auf Büro, da eh nur Rechnungen eingehen.
Man hängt durch und rum! Zu der Zeit hatte ich keinerlei Ideen und verkroch mich in der Wohnung, um auch noch unter der Trennung zu leiden. Aber ich hatte wenigstens einen ganz tollen Freundeskreis, der immer für mich da war!
SUCY: Wie kam es, dass Du mittlerweile mehrere Impfzentren führst?
MARTIN: Im Dezember 2020 hat mich ein Freund angesprochen, ob ich nicht als Impfhelfer in den Kreisimpfzentren mitarbeiten wollte – klar wollte ich! Besser als nichts zu tun. Gesagt, getan. Kurze Zeit später habe ich beim DRK auf der Messe Stuttgart und in Esslingen begonnen, zu impfen.
Das Thema hat mich interessiert und ich habe mich immer auf dem aktuellen Stand der Dinge gehalten.
Im April wechselte ich in die Liederhalle Stuttgart zu den mobilen Impfteams und im Juli ins Zentrale Impfzentrum des Robert-Bosch-Krankenhauses – ebenfalls zu den mobilen Impfteams.
Am 30. September 2021 hatten wir dort ein Abschlussfest, da alle Zentren geschlossen wurden. Und wir dachten: Das war’s nun und wir sehen uns alle nie wieder. Die Ansprachen, die die Leitung an diesem Abend gehalten hat, waren bewegend.
Dann hatte ich wieder einen kleinen Einbruch: Der Alltag fehlte plötzlich. Zurück zu Event und in die Bar war nur im kleinen Rahmen möglich, da es immer noch keine Veranstaltungen gab und die Gastro auch nur sehr verhalten anlief.
Ende Oktober kam die Anfrage eines privaten Arztes in Stuttgart, ob ich bei ihm weiter impfen möchte: gesagt, getan!
Dort traf ich Dr. Esra Trumpf wieder. Mit ihr hatte ich bereits im Impfzentrum des Robert-Bosch-Krankenhauses zusammen gearbeitet.
»Ich merkte, dass eine Impfambulanz wie eine Eventplanung funktioniert.«
Mitte November, nach einer langen gemeinsamen Impfschicht, saßen wir am Straßenrand in der Stuttgarter Königstraße bei einer Tüte Pommes. Dort hatten wir die sehr spontane Idee, selbst eine private Impfambulanz zu eröffnen. Die erste haben wir nach nur drei Wochen Planungszeit in die Tat umgesetzt. Ich merkte, dass eine Impfambulanz eigentlich wie eine Eventplanung funktioniert. Zudem hatte ich das Wissen im medizinischen Bereich für korrekte Lagerung, benötigte Materialien, Personal und so weiter.
Am 8. Dezember 2021 eröffneten wir im Funkhaus des SWR in Stuttgart die erste eigene Impfambulanz: die ITA Impf-Test-Ambulanz.
Und dann kam der Eventplaner in mir durch. Ist erst einmal die Logistik gesetzt, kann man sehr leicht neue Standorte planen. Außerdem verfüge ich über ein großes Lager, um Benötigtes unterzubringen und über viel Material, um mehrere Ambulanzen auszustatten (Zelte, Heizungen, Mülleimer, Plakatständer, Kabel, Licht). Mein Netzwerk zu Städten, Verwaltungen und Marketingfirmen ist sehr gut, sodass wir schnell voran kamen.
Das wichtigste ist jedoch, dass Dr. Esra Trumpf und ich zusammen passen wie der Deckel auf den Topf! Wir verstehen uns beinahe ohne Worte und entscheiden fast immer gleich.
Neben der ITA im Funkhaus des SWR kamen die Impfambulanzen in der »Zentral Bar« Nürtingen, im Esslinger Dick Areal, im Hallschlag Stuttgart, im »wirRauner«-Quartier Kirchheim und in der »1907 Bahnlounge« in Neuenstadt a.d. Kocher dazu. Mittlerweile bieten wir auch Schnell- und PCR-Tests an.
»Fliegen kann ich!«
SUCY: Wann erwartest Du das Ende der Pandemie?
MARTIN: Schwierige Frage. Wenn sich im Bereich Impfstoff oder Medikament nichts ändert, wird der Coronavirus wohl wie die Winter-Grippe dauerhaft bleiben.
Derzeit bin ich eher mit dem Gedanken befasst, dass die Welt heute eine neue ist und es nicht mehr wie vorher sein wird. Vielleicht müssen wir uns die kommenden Jahre mehrmals jährlich impfen. Vielleicht kommen in kürzeren Abständen immer neue Viren auf uns zu, vielleicht gibt es größere Veranstaltungen künftig nur noch mit PCR- oder Schnelltests. Es ist schwierig, sich eine Meinung zu bilden.
SUCY: Was wünschst Du Dir ganz persönlich vom Jahr 2022?
MARTIN: Wünsche habe ich viele: Einige, die eventuell funktionieren können und andere, die wohl Wunsch bleiben werden.
Auf der einen Seite wünsche ich mir, die Trennung von meiner Ex-Frau endgültig zu verarbeiten, den neuen Freundeskreis aktiv zu halten, Urlaub zu machen, neue Leute kennen zu lernen, vielleicht nochmal eine »Traumfrau« zu finden, meine beiden Firmen wieder zu beleben und erfolgreich weiter führen zu können. Und vielleicht mach’ ich die Prüfung für den Flugschein noch. Momentan darf ich nur in Begleitung eines Fluglehrers fliegen – aber fliegen kann ich!
Was schwierig werden könnte ist der Wunsch, Corona zu besiegen, keine neuen Viren oder Bakterien erleben zu müssen und in den Alltag vor Corona zurückzukehren.
Danke Martin!
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