KRIMI-KAPITEL 8 • Alles ist anders

Krimi-Kapitel 8

„Hallo, wir sind Gritta und Britta. Unsere Haustiere sind Schnecken und Steine.“
Vor Fritzi standen zwei junge Frauen, die eindeutig Zwillingsschwestern waren. Sie glichen sich wie ein Haar dem anderen. Auch die Kleidung und ihre Frisuren waren identisch. Von der Nagellackfarbe über die Haarspangen bis hin zu den Socken: alles gleich.

„Welche Mutter nennt ihre Zwillinge denn Gritta und Britta?“ fragte Fritzi in die Runde.

Lou, der Kommissar und offensichtlich neuer Lover von Serina, beachtete die beiden gar nicht. Auch die merkwürdige Aussage über ihre Haustiere schien ihn nicht zu interessieren. Ebenso wenig wie die Frage, die Fritzi gestellt hatte.

„Wir haben sechs Schnecken, sie heißen Anna, Angelika, Annika, Anita-Maria, Anna-Lena und Anne-Kathrin.“ sagte Gritta.
„Eure Schnecken haben Doppelnamen?“ Fritzi kam aus dem Staunen gar nicht mehr raus.

„Jetzt lass doch mal die Schnecken!“ meinte Serina aufgebracht. „Du hast gesagt, dass du weißt, wie wir deinen Captain America stoppen können!“

„Wir haben sechs Steine, sie heißen Pit, Peter, Paul, Pius, Patrick und Pascal.“ sagte Britta.
„Eure Steine haben Namen?“ Fritzi war fasziniert. 
„Und wer seid Ihr überhaupt?“

Lou schnaufte gereizt hinter seiner Maske, ihm schien allmählich der Geduldsfaden zu reißen. Serina rollte genervt mit den Augen und sah ungeduldig an die Decke.

„Wir sind Gritta und Britta und eure neuen Kolleginnen. Der Chef hat gesagt, du sollst uns einlernen. Du bist doch Franzi oder?“
„Fritzi!“ sagte Fritzi. Und an Serina gerichtet meinte sie:
„Und es ist nicht mein Captain America! Er ist nur so ein dummer und daher gelaufener, idiotischer… verflucht gutaussehender… egal! Ich weiß, wie wir ihn in eine Falle locken können.“
„Schieß los!“ Lou war nun wieder ganz fröhlich.

„Wir planen, demnächst Raupen bei uns aufzunehmen.“ Gritta und Britta ließen sich nicht stören, sie redeten einfach weiter. 
„Echt, Raupen?“ Fritzis Neugier war erneut geweckt, die beiden waren wirklich amüsant, „und wie sollen sie heißen?“
Gritta legte los: „Katja, Katharina, Karina…“ 

Serina packte Fritzi am Arm und zog sie ein Stück mit sich: „Jetzt ist Schluss mit dem Quatsch! Du erzählst uns sofort von deiner Idee!“

„Fritzi!“

Irgendjemand hatte laut gerufen. So laut, dass sich alle Anwesenden umdrehten und das bisher geführte Gespräch unterbrachen. Selbst Ärzte und Impflinge schauten in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war.

Am anderen Ende des langen Flurs stand eine Gestalt, sie winkte.

Und wieder: „Fritzi!“
Wieder sehr laut.
Wieder sehr eindringlich.

Fritzi erkannte die Person, die dort stand und derart auffällig ihren Namen rief, dass das halbe Impfzentrum mithörte.

„Adrian?“ sie konnte kaum glauben, dass Captain America freiwillig hergekommen war, wo doch alle Welt nach ihm suchte. Was hatte das zu bedeuten?

Fritzi schaute hinter sich, wo Lou und Serina standen. Sie starrten auf Adrian.
„Ich glaube, ich spinne!“ stieß der Kommissar hervor, „da ist der Kerl!“

Lou rannte los.
Fritzi rannte los.
Serina rannte hinterher.

Fritzi holte Lou auf halbem Weg ein und versetzte ihm mit ihrem Ellenbogen einen kräftigen Stoß in die Nieren.
Der Kommissar geriet ins Taumeln und wurde langsamer. 

Fritzi kam als erste bei Adrian an.

„Du darfst niemandem ein Wort glauben, Fritzi. Serina ist die Mörderin!
Und jetzt hat sie auch noch diesen dämlichen Polizisten um den Finger gewickelt.“

„Aber du…” Fritzi konnte den Satz nicht beenden, Adrian hatte sie am Arm gepackt und zog sie hinter sich her: „Wir müssen hier weg! Jetzt!“

„Wissen Sie, wo ich meine Impfung bekomme?“
Fritzi und Adrian, die sich bereits im Vorraum des Impfzentrums befanden, mussten abrupt stehen bleiben. Eine kleine und sehr alte Dame hatte sich ihnen in den Weg gestellt. Fritzi fiel der schicke grüne Filz-Hut auf, den sie trug. Sie hatte sich für ihren Impftermin offenbar ordentlich herausgeputzt.
Die Flüchtenden schauten sich an. Adrian wollte schon weiter, aber Fritzi brachte es nicht übers Herz, diese hoch betagte Frau einfach so stehen zu lassen.
„Sie gehen durch diese Tür hindurch und dann rechts. Anschließend…“
„Nein!“ Adrian hatte sich zwischen die beiden Frauen gedrängt und schaute Fritzi eindringlich in die Augen.
„Wir! Müssen! Hier! Weg!“

Am Eingang zum Vorraum entdeckte Fritzi Lou und Serina. Sie hatten sie fast eingeholt.
„Dann los!“ sagte sie zu Adrian, und an die Frau gerichtet:
„Es tut mir leid, ich muss gehen. Meine Kollegen helfen Ihnen gerne weiter.“

Als der Kommissar mit Serina den Vorraum betrat, war es zu spät: Fritzi hatte mit Adrian das Impfzentrum gerade verlassen.

„Bist du sicher, dass deine Fritzi unschuldig ist?“ Die Frage war an Serina gerichtet. Die schüttelte den Kopf.
„Im Grunde weiß ich nichts von Fritzi.“

Als die beiden noch ratlos herumstanden und überlegten, was nun zu tun sei, näherten sich ihnen Gritta und Britta im Gleichschritt. Sie hielten die Köpfe leicht gesenkt, als hätten sie was zu verbergen oder trauten sich nicht, etwas auszusprechen. 

Als Serina sah, dass die Zwillinge auf sie zusteuerten, wurde sie missmutig. Auf die beiden hatte sie jetzt überhaupt keine Lust. Wen interessierten schon Schnecken und die Namen von verdammten Steinen?

„Wir sind Gritta und Britta.“ sagte eine der beiden. Die Zwillinge standen jetzt vor dem Kommissar und Serina. „Wissen wir. Was wollt ihr?“ Serina klang sehr unfreundlich, „Ist geplant, euch weitere dusslige Haustiere anzuschaffen? Wie wär’s mit einer netten Küchenschaben-Familie oder ein Geschwisterpaar Milben, die könnten dann Michi und Mona heißen.“
„Das ist eine gute Idee.“ sagte Gritta. 
Serina fühlte sich, als müsse sie gleich platzen vor Wut.
Die Schwestern rückten nun raus mit dem was ihnen auf dem Herzen lag:
„Wir sind nicht sicher, aber wir vermuten, dass dort hinten jemand liegt, der…“
Sie zögerten.
„Der was?“ Lou mischte sich nun ein. Irgendwie klang die Aussage der Zwillinge für ihn so, als sei es Polizeisache.
Die beiden Frauen senkten erneut die Köpfe, der Kommissar wirkte offenbar einschüchternd auf sie.
„Was denn nun?“ Lou drängte auf eine Information.
Nach einer weiteren kurzen Pause sagte Gritta schließlich „Kommen Sie mit, wir zeigen es Ihnen“ und lief los.
Sie ging den Flur entlang, bog links ab, dann wieder rechts und blieb vor einer grauen Tür stehen. Lou, Serina und Britta waren ihr wortlos gefolgt und hielten ebenfalls inne. 

Lou griff nach der Türklinke, sie ließ sich ohne Weiteres betätigen.

Er schaute kurz in den Raum, bedeutete den anderen sich nicht zu rühren und ging hinein. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss und versperrte den Wartenden die Sicht. 

Niemand sprach ein Wort.

Nach einer Minute kam Lou wieder heraus, sein Gesicht war leicht gerötet.
„Da drin liegt ein Toter ohne Kopf und ein Daumen fehlt ihm auch. Ich denke, wir haben den Rest von Truschinski Junior gefunden.“
„Von wem?“ Die Zwillinge hatten gleichzeitig gesprochen. 
„Ich rufe jetzt meine Kollegen und ihr verhaltet euch still. Ich will kein Aufhebens. Hier passieren ohnehin schon zu viele ungewöhnliche Dinge. Es ist ein Wunder, dass überhaupt noch jemand zum Impfen kommt. Dieser Ort ist der Vorhof der Hölle!“

Lou betrat das Zimmer erneut, das Handy in der Hand. Telefonierend stand er neben der kopflosen Leiche und informierte sein Revier und die Spurensicherung. 

Da entdeckte er unter dem angewinkelten Arm des Toten etwas Rotes. Ein Stück Stoff. Er kniete sich hin und zog leicht daran, um zu erkennen was es war. Eine Stofftasche schien es zu sein, so eine wie seine Mutter immer mit zum Einkaufen auf den Markt nahm. 
Der Beutel in Lous Hand war ohne Aufdruck und knallrot.

Wem gehörst du? fragte sich der Polizist.

Dann fiel es ihm ein: Er hatte diese Tasche schon einmal bei jemandem gesehen. Und er wusste auch bei wem. Langsam erhob sich der Kommissar. Er nahm die Maske ab und kratzte sich nachdenklich an seinem Dreitagebart. 

Der Teufel soll mich holen, wenn ich mich irre, dachte er.  
Jetzt bist du dran, du Früchtchen!

Festen Schrittes ging der Polizist zur Tür und trat wieder auf den Flur zu den anderen. Lou war wild entschlossen, den Fall endlich zu lösen: Er wusste jetzt, wer der wahre Täter war. 

Fortsetzung folgt…

[Für die Engelchen]

» ZUR SPOTIFY-PLAYLIST
» ZU KAPITEL 1 • Der neue Job im Impfzentrum
» ZU KAPITEL 2 • Der Verdacht
» ZU KAPITEL 3 • Schlechte Witze
» ZU KAPITEL 4 • Ein bisschen wie Tinder
» ZU KAPITEL 5 • Giftspritze
» ZU KAPITEL 6 • Ärzte auf dem Dach
» ZU KAPITEL 7 • Der Schöne ist immer der Böse

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