+++ TOP 3 der True Crime Profi-Podcasts +++ Kriminologin Kristina mit Kritik +++ 3 Fragen an Holger Schmidt vom SWR +++
Mit Profis zu arbeiten, bietet meistens Vorteile: Man geht lieber zum Zahnarzt als sich selbst den Zahn zu ziehen. Gefahrguttransporte sollten nach Möglichkeit von einem Berufskraftfahrer mit einem ADR-Schein geführt werden.
Aber beim Frisör scheiden sich die Geister: Mama kann das manchmal auch ganz gut. Und seit in Handys eingebaute Kameras viel Unvermögen des Fotografierenden ausgleichen, fühlen sich ausgebildete Fotografen manchmal nicht mehr ganz ernst genommen.
Bei Podcasts sieht die Welt ein bisschen anders aus. Wenn man die Entstehungsgeschichte im Sinn hat (siehe »Corona als Booster für Podcasts«), erkennt man schnell, dass es die Einfachheit ist, die es Privatpersonen ermöglicht, einen eigenen Podcast auf die Beine zu stellen. Experten und Profis aus der Medienbranche nutzen diese Kommunikationsform ebenfalls sehr gerne. Und so haben wir ein Meer an privaten und professionellen Anbietern, die gleichermaßen vom Publikum gehört und geschätzt werden.
Nach meinen TOP 3 der privaten True Crime-Podcasts habe ich nun meine TOP 3 True Crime-Podcasts der Experten und Profis gekürt. Dazu habe ich wie zuvor schon Kriminologin Kristina zu Rate gezogen. Sie hat einen Blick aus ihrer (professionellen) Sicht darauf geworfen. In unserem Gespräch »Die Lehre vom Verbrechen« legte sie dar, welche Aspekte ihr wichtig sind: »Ein gutes True Crime-Format muss für mich einerseits sprachlich wertfrei und pietätvoll sein und andererseits natürlich fachlich richtig sein und die korrekten Begrifflichkeiten verwenden.«
TOP 3 der PROFI TRUE CRIME-PODCASTS:
#1 »Sprechen wir über Mord!?« von SWR2
#2 »DIE ZEIT Verbrechen« von der ZEIT
#3 »True Crime« von BAYERN3
Anders als beim Ranking der TOP 3 der privaten True Crime-Podcasts, sind Kristina und ich uns dieses Mal in der Reihenfolge einig. 😀
Der augenscheinlichste Unterschied zwischen den privaten und professionellen Anbietern liegt vor allem in der Sprach- und Sprechqualität sowie in der profunden Recherche. Das ist keine große Überraschung. Beim Podcast von SWR2 und BAYERN3 haben wir es mit professionellen Sprechern und Journalisten zu tun. Bei der ZEIT servieren uns ausgebildete und mit jahrelanger Erfahrung ausgestattete Publizisten die Fakten.
Private Podcasts wirken andererseits menschlicher und nahbarer, was wiederum bei der allgemeinen professionellen Berichterstattung durchaus eine Wohltat ist. Die Wahl bleibt also den Hörern überlassen und das ist auch gut so.
Die ausgebildete Kriminologin Kristina hat ihre fachliche Meinung zu den Produktionen geäußert:
»Sprechen wir über Mord!?« (SWR2)
Als ehemaliger BGH-Richter ist Prof. Dr. Fischer ein absoluter Vollprofi, was die juristische Einordnung von Taten angeht. Fachlich fehlerhafte Aussagen ordnet er ebenso nüchtern und pragmatisch ein wie reißerische und emotionale Berichterstattungen und Bewertungen. Lässt man sich auf die Art des Sprechens und die Perspektive von Herrn Fischer ein, eröffnen sich ganz neue Horizonte: Er ermöglicht einen völlig frischen Blick auf die Frage nach Recht & Gerechtigkeit, die in der Bevölkerung nach einem Übergriff häufig gestellt werden.
Die Perspektiven von Prof. Dr. Fischer sind teilweise etwas konservativ und wenig zeitgemäß, spiegeln aber vermutlich die Haltung von Richter:innen des Justizapparates allgemein bzw. deren Blick auf Kriminalfälle sehr gut.
Fazit: Mal was anderes! Definitiv ein Reinhören wert!
»Verbrechen« (ZEIT)
Im Gegensatz zu vielen anderen Podcasts beschäftigt sich »Verbrechen« nicht nur mit den grausamsten, blutigsten Kriminalfällen, sondern auch mit Kunstraub, Betrug und beleuchten auch die Versäumnisse der Justiz.
Durch verschiedene Interviewpartner:innen wird eine gute Recherche des Falles sichergestellt und es ergeben sich immer wieder spannende neue Perspektiven. Leider merkt man den beiden Haupt-Podcaster:innen (Andreas Sentker und noch mehr Sabine Rückert) die ein oder andere nicht-zeitgemäße Denkweise an, die man durchaus als bspw. rassistisch oder sexistisch einordnen kann. Schade finde ich auch, dass trotz langer Beschäftigung als Gerichtsreporterin noch immer das ein oder andere fehlerhafte Klischee reproduziert wird und falsche Begriffe verwendet werden.
»True Crime« (BAYERN3)
Mit Dr. Alexander Stevens sitzt ein Fachmann im Podcast, der die rechtliche Seite gut abdeckt und viele rechtliche Fragen und Mythen erklären und richtigstellen kann.
Andauerndes Gekicher, pietätslose Aussagen und Victim blaming sind nur drei Beispiele meiner Kritik an der rein sprachlichen Gestaltung des Podcasts, welche die fachliche Qualität deutlich überschatten und bei mir einen negativen Gesamteindruck bei dieser Produktion hinterlässt.
3 Fragen an Holger Schmidt vom SWR2-Podcast »Sprechen wir über Mord!?«
Holger Schmidt ist ARD Terrorismus-Experte und Redaktionsleiter Datenjournalismus & Reporter in der Abteilung Inland beim SWR. Er hat sich die Zeit genommen und mir drei Fragen beantwortet – und gewährt uns so einen tieferen Einblick:
- Sie haben Rechtswissenschaft und Medienrecht studiert – warum sind Sie nicht Anwalt geworden?
Erwogen habe ich das während des Studiums tatsächlich. Strafverteidiger oder Staatsanwalt waren meine Überlegungen – nicht unbedingt Richter. Die letzte Entscheidung in einer Sache wollte ich nicht haben. Lieber mit Verve kämpfen oder das SEK für die Festnahme bestellen. 😉
Allerdings habe ich schon während des Studiums als freier Mitarbeiter beim SWR und anderen Rundfunkanstalten gearbeitet und rasch gemerkt, dass mir diese Arbeit auch sehr viel Spaß macht. Vor allem, weil ich als Reporter unbefangen mit allen Seiten reden – oder das zumindest versuchen kann. Im SWR2-Podcast „Sprechen wir über Mord?!“ sind nun beide Bereiche vereint. Eigentlich ein idealer Zustand! Übrigens glaube ich, dass es Thomas Fischer ähnlich geht: Er war ja auch nie „Nur-Jurist“, so wichtig seine Stimme im deutschen Strafrecht auch ist. Als Vorsitzender Richter musste er sich aber am Bundesgerichtshof und am Landgericht Leipzig immer auf die Richterrolle beschränken und auch sein Kommentar des Strafgesetzbuches ist ja nicht gerade der Ort für ausführliche Stellungnahmen. Im Podcast können wir ordentlich streiten oder ausführlich einer Meinung sein! - Auf was können sich die Hörer vom SWR2-Podcast »Sprechen wir über Mord!?« im Jahr 2022 freuen?
Auf viele weitere, hoffentlich spannende Folgen! Wir haben das ehrgeizige Ziel, auch weiterhin alle 14 Tage mit einem neuen Fall rauszukommen. Auch wenn die Produktion unter Coronabedingungen nicht einfach ist. Denn wir sitzen ja immer miteinander im Studio. Virtuell haben wir es zwar auch mal zwei Folgen lang probiert, aber es ist schon wichtig, dass wir uns bei der Diskussion der Fälle sehen und auch Blicke und Gesten voneinander mitbekommen. Im März wollen wir übrigens wieder bei den Stuttgarter Kriminächten live eine Folge mit Publikum aufzeichnen, im vergangenen Jahr haben wir das ja auf dem Stuttgarter Fernsehturm des SWR gemacht und danach mit den Hörerinnen und Hörern diskutiert. Das war ein toller Abend und eine interessante Location – wir konnten die Tatorte von oben sehen. - Halten Sie Deutschland für ein sicheres Land?
Auf jeden Fall, auch wenn es ja sehr verschiedene Kategorien von „Sicherheit“ gibt. Meinen Sie die so genannte „Allgemeinkriminalität“, die Sorge vor einem Krieg, Terrorismus oder staatliche Übergriffe? Für jedes Phänomen werden Sie andere Zahlen finden, aber Deutschland wird im weltweiten Vergleich immer im Spitzenfeld der Sicherheit liegen. Und es ist sehr schade, dass manche Menschen sich dieses Privilegs wohl nicht bewusst sind: So schrecklich die einzelnen Verbrechen in unserem Podcast sind: Insgesamt leben wir doch in vielerlei Hinsicht in einem extrem sicheren Land, dürfen im Notfall auf die Hilfe von absoluten Profis im Rettungsdienst und einer Spitzenmedizin hoffen und haben eine Polizei, die trotz einzelner Skandale zu gefühlten 99,9% einen exzellenten Job macht. Und wenn etwas falsch läuft, haben wir Medien, die darüber berichten – ohne dass die Reporter befürchten müssen, über Nacht zu verschwinden. Ja, wir leben in einem sehr sicheren und gerade im Südwesten besonders schönen Land, in dem man auch tolle SWR-Podcasts hören kann. 😉
Vielen Dank!
Habt Ihr das Interview mit Filmemacher und Fotograf Oliver Lozano schon entdeckt? ➡️ Hier entlang!
Auch mit Kriminalbiologen Dr. Mark Benecke aka »Dr. Made« konnte ich ein kurzes Autoren-Interview führen.
🥳 VORSCHAU
In Kürze gibt es ein Interview mit Hagen Gunzenhauser, einem Beamten des Landeskriminalamts Baden-Württemberg. Er ist dort Sachverständiger für Daktyloskopie – was das ist und warum seine Arbeit spannend ist, könnt Ihr bald hier im Blog lesen. Falls Ihr das nicht verpassen wollt, meldet Euch zum Newsletter an (➡️rechte Spalte).
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