Ostermärsche 2023 – die Frage des Friedens ist schwierig geworden

ostermarsch 2023 hamburg frieden krieg Ukraine sucy Pretsch

+++ Die Friedensbewegung ist zerrissen +++ Gibt es zu wenig Solidarität mit der Ukraine? +++ Die Frage des Friedens ist schwierig geworden

Die Ostermärsche haben in diesem Jahr eine klare Botschaft: Der Krieg in der Ukraine muss ein Ende finden. Während wenige Teilnehmer Russland als den Aggressor benennen wollen, gibt es vermehrt Stimmen, die einzig das ehrenwerte Anliegen betonen: Für den Frieden auf die Straße zu gehen. Trotz dieser Meinungsverschiedenheiten ist eines klar: Die Ostermärsche sind ein starkes Zeichen gegen Gewalt und Krieg und setzen sich für eine friedliche Lösung des Konflikts ein.

Die Ostermärsche haben eine lange Tradition

Die Ostermärsche gehen auf die Friedensbewegung der 1950er-Jahre zurück. Damals organisierten pazifistische Gruppen in Deutschland und anderen europäischen Ländern Protestmärsche gegen die atomare Aufrüstung und den Kalten Krieg. Die Ostermärsche waren ein Symbol des Widerstands gegen die militärische Bedrohung und wurden von vielen Menschen unterstützt.

Im Laufe der Jahre haben sich die Ostermärsche weiterentwickelt und sind zu einem wichtigen Teil der deutschen Friedensbewegung geworden. Sie finden jedes Jahr an Ostern statt und richten sich gegen Krieg, Militarismus und Rüstungsexporte. Die Teilnehmer setzen sich für Abrüstung, Dialog und eine friedliche Konfliktlösung ein.

Die Ostermärsche haben im Laufe der Zeit viele Veränderungen durchgemacht, aber ihre Bedeutung als Symbol des Friedens ist geblieben. Sie sind ein wichtiger Ausdruck des Engagements für eine bessere Welt und zeigen, dass es auch in schwierigen Zeiten möglich ist, für seine Überzeugungen einzustehen.

Ostermärsche 2023: Die Friedensbewegung ist zerrissen

Eine beeindruckende Menschenmenge hat sich in diesen Osterfeiertagen 2023 versammelt, um für den Frieden zu demonstrieren. Mit Nachdruck fordern sie den Westen auf, keine Waffen mehr in die Ukraine zu liefern und stattdessen auf diplomatische Lösungen zu setzen, um den russischen Angriff zu beenden. Die Botschaft ist klar und unmissverständlich: Krieg ist keine Option, nur Frieden kann eine dauerhafte Lösung bringen.

Das Netzwerk Friedenskooperative berichtet von Protestaktionen in rund 70 Städten, darunter Berlin, Bonn, Bremen, Duisburg, Hannover, Leipzig, München, Stuttgart, Hamburg und vielen anderen Orten. Die Demonstranten forderten ein Ende der deutschen Waffenexporte an die Ukraine, die von Russland angegriffen wurde, sowie den Verzicht auf die geplante Aufrüstung der Bundeswehr.

Ostermärsche 2023 +++ Die Friedensbewegung ist zerrissen +++ Die Frage des Friedens ist schwierig geworden +++ Sucy Pretsch

Zu wenig Solidarität mit der Ukraine?

Die diesjährigen Aufrufe zu Friedensmärschen wurden von Thorsten Gromes, einem Experten der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), unter die Lupe genommen. Obwohl die Forderungen der einzelnen Märsche variieren, konnte Gromes laut Deutschlandfunk Kultur eine eindeutige Tendenz feststellen.

Häufig würde die Forderung gestellt, „die Kriegsparteien in der Ukraine sollten jetzt sofort Verhandlungen aufnehmen, mit der Begründung: Nur der Dialog könne zum Frieden führen. Der Westen solle aufhören, der Ukraine Waffen zu liefern. Auch das ist sehr, sehr häufig zu lesen“, sagt Gromes. Die Forderung, die russischen Truppen sollten die Ukraine verlassen, komme dagegen nur in einer „sehr kleinen Minderheit der Aufrufe“ vor.

Die Politologin Julia Smirnova vom Institute for Strategic Dialogue (ISD), einem Thinktank, der sich mit den Themen Hassrede, Extremismus und Desinformation auseinandersetzt, betont, dass klare Forderungen an Russland bei Friedensinitiativen fehlen. Insbesondere bei den meisten Ostermärschen werde keine Aufforderung an Russland ausgesprochen, seine Truppen zurückzuziehen. Dieser Umstand werde von der russischen Berichterstattung ausgenutzt. Es ist daher von großer Bedeutung, dass Friedensinitiativen konkrete Forderungen an Russland stellen, um eine friedliche Lösung des Konflikts zu erreichen.

Jan Gildemeister, Geschäftsführer der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden, sagte in einem Interview mit mir für diesen Blog: „In einem erheblichen Teil der Friedensbewegung wurde die aggressive Politik der russischen Regierung nach innen und außen verharmlost und es wurden die begründeten Ängste osteuropäischer Staaten und ihrer Bevölkerung nicht ausreichend ernst genommen.”

Ostermarsch in Hamburg St. Pauli

Auch in Hamburg gab es Proteste – unter anderem einen Ostermarsch am Ostermontag. Die vom „Hamburger Forum für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung e.V.” organisierte Demo auf St. Pauli schrieb sich auf die Fahne: „Für Frieden in Europa! Den Dritten Weltkrieg verhindern!”. Bei der Abschlusskundgebung auf dem Fischmarkt Hamburg sprachen unter anderem Zaklin Nastic, seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages und menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. Ganz im Sinne von Sahra Wagenknecht schrie sie geradezu ihre Forderungen nach Frieden ins Mikrophon.

Aber so einfach ist die Beantwortung der Frage nach Krieg und Frieden und die Positionierung dazu nicht mehr. Kann man ein Pazifist sein und gleichzeitig für Waffenlieferungen? Kann man Russland verurteilen und dennoch Friedensgespräche fordern? Dem heute durchaus hörbaren Ruf nach dem Absetzen der Bundesregierung und anderen fragwürdigen Äußerungen möchte ich hier keinen Raum geben. Vielmehr gibt es Redebedarf: Der Gesellschaft steht eine neue Diskussion um die Frage nach Krieg oder Frieden bevor. Oder nein. Wir befinden uns schon mitten darin.

Ostermärsche 2023 +++ Die Friedensbewegung ist zerrissen +++ Die Frage des Friedens ist schwierig geworden +++ Sucy Pretsch

Blog-Interviews zum Thema:

Hier geht’s zum Interview mit Jan Gildemeister: “Ist die Friedensbewegung am Ende?”

Zum Interview mit der “Internationale[n] Frauenliga für Frieden und Freiheit”

Zum Interview mit Fridays for Future “Aus Klima-Streik wird Friedensdemo”


Habt Ihr das Interview mit Filmemacher und Fotograf Oliver Lozano schon entdeckt?  Hier entlang! 
Auch mit Kriminalbiologen Dr. Mark Benecke aka »Dr. Made« konnte ich ein kurzes Autoren-Interview führen.


 NEWSLETTER
Falls Ihr keinen Beitrag mehr verpassen wollt, meldet Euch zum Newsletter an (rechte Spalte).


» ZUR Film-Kritik zu »Leif in Concert Vol.2«
» Rezension zu Dr. Mark Beneckes »Aus der Dunkelkammer des Bösen«
» »Leichen pflastern seinen Weg« – Rezension zu Adrian Langenscheids neuem Buch
» ZU »Booster für Podcasts & True Crime – Teil 1/2« und »Teil 2/2«
» ZU DEN KURZGESCHICHTEN
» KRIMI »Der Tod ist näher als du denkst«

Sende
Benutzer-Bewertung
5 (1 Stimme)

Du magst vielleicht auch

Schreibe einen Kommentar